Das Comeback des Hanfs in China

Die diesjährige Internationale Konferenz über die Hanfindustrie in Harbin, China, war eine der größten Veranstaltungen, die jemals zum Thema Hanf stattfand. 300 Delegierte aus China, Australien, Europa und Kanada präsentierten Erfolgsgeschichten aus der ganzen Welt und diskutierten künftige Produktions- und Vermarktungsstrategien für noch mehr und bessere Hanfprodukte. Die Konferenz verdeutlichte die Bedeutung und Vielseitigkeit der umweltfreundlichen Nutzpflanze Hanf.
In China wurde etwa 2.800 v. Chr. das erste Seil der Welt aus Hanffasern geflochten und gleichzeitig wurde das erste Papier aus Hanf hergestellt. Es gibt Hinweise darauf, dass im 28. Jahrhundert v. Chr. in China auch Kleidung aus Hanffasern hergestellt wurde. Das älteste erhaltene Textil wird auf ca. 1000 v. Chr. datiert. Im 17. Jahrhundert, auf dem Höhepunkt der Seefahrt, erlebte Hanf in Europa seine Blütezeit. Bis ins 18. Jahrhundert hinein waren Hanffasern zusammen mit Flachs, Nessel und Wolle die zentralen Rohstoffe der europäischen Textilindustrie. Für die Papierherstellung wurde aus den Hadern Zellstoff hergestellt.
Der Niedergang der Hanfindustrie begann im 18. Jahrhundert und hielt bis zum Ende des 20. Jahrhunderts an. Hanf wurde nahezu bedeutungslos. Mit der Industrialisierung der Baumwollspinnerei begann ein weltweiter Siegeszug der Baumwolltextilien.
Wie es scheint, könnte sich die Situation wieder umkehren. Aufgrund zunehmender Umweltprobleme, des enormen Wasserbedarfs, der Versalzung der Böden und des Einsatzes von Pestiziden beim Anbau und der Verarbeitung von Baumwolle, wird es immer wichtiger, umweltfreundliche Alternativen zu finden. Hier kommt wieder der Hanf ins Spiel. Die Wiege des Hanfanbaus und der Hanfverarbeitung, die Provinz Heilongjian in China, hat ihre Forschung und Entwicklung intensiviert, um feine Hanffasern als komfortable und umweltfreundliche Alternative zu Baumwolle zu produzieren. Außerdem arbeiten Experten an Lebensmitteln und Arzneimitteln aus Hanf. Es ist spannend zu sehen, wie sich die Provinz Heilongjian wieder auf ihre Hanfwurzeln besinnt und auch die westliche Hanfwirtschaft ist eingeladen, auf ihrem Weg zum Erfolg am Hanfboom teilzuhaben.
Die Tatsache, dass die Qualität und der Preis der chinesischen Baumwolle nicht sehr wettbewerbsfähig sind (China importierte drei Millionen Tonnen Baumwolle aus den USA – vor einigen Jahren noch unvorstellbar), hat Heilongjiang zu der Entscheidung veranlasst, die gesamte Kette der industriellen Hanfproduktion zu bewerten und Hanf in großem Maßstab zu produzieren. Infolgedessen ist die Anbaufläche allein in der chinesischen Provinz Heilongjiang allein in diesem Jahr auf mehr als 74.000 Hektar angewachsen – eine Fläche, die mit der gesamten Hanfanbaufläche in Kanada oder Europa vergleichbar ist. Und die Pläne der Provinzbeamten sehen sogar eine Verdoppelung der Anbaufläche im nächsten Jahr vor.

Neue Technologien für mehr Effizienz und Ertrag

Universitäten aus der Provinz Heilongjiang, der Ukraine und Kanada haben ein umfassendes Forschungsprogramm gestartet, um neue Hanfsorten, vielseitigere und effizientere Erntemaschinen und neue Technologien zur Gewinnung feiner Hanffasern, Samen und Blüten zu entwickeln. Das Berliner Unternehmen HANF FARM GmbH hat einen einzigartigen Hanfvollernter, den Multicombine HC 3400, entwickelt, der in der Lage ist, auf mehreren Höhen zu schneiden, so dass die Pflanze in nur einer Wachstumsperiode mehrfach geerntet werden kann. Experten erwarten, dass Erntetechnologien wie der MultiCombine HC 3400 einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg der ehrgeizigen chinesischen Pläne sein werden. Für den Textilsektor wurden neue Verfahren zur Gewinnung feiner Hanffasern entwickelt. Es zeigte sich, dass der Einsatz von Enzymen ein besonders umweltfreundlicher Weg ist. Dank der enzymatischen Baumwollisierung werden Hanffasern von Baumwollmaschinen verarbeitet werden können, allein oder sogar zusammen mit anderen Fasern.

Neue und bessere Produkte – neue und bessere Chancen

Stoffe aus Hanffasern überzeugen durch ihre einzigartige Qualität – sie sind thermoaktiv, antistatisch, antibakteriell, bieten einen guten UV-Schutz und sind schnelltrocknend. Daher eignen sie sich hervorragend für alle Arten von Kleidung und Unterwäsche, aber auch für Handtücher, Bettwäsche etc.

Für Kosmetika ist Hanföl bestens geeignet. Wertvolle hautpflegende Inhaltsstoffe prädestinieren Hanföl als natürlichen Rohstoff für eine Vielzahl hervorragender hautpflegender Kosmetikprodukte. Durch den hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren (80 Prozent) wird die Haut tiefenwirksam gepflegt, übermäßiger Feuchtigkeitsverlust der Haut wird verhindert. Durch die essentiellen Fettsäuren Linolensäure und Alpha-Linolensäure in Kombination mit der seltenen Gamma-Linolensäure können Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Schuppenflechte behandelt werden. Die Produktpalette der Hanfkosmetik bietet ein breites Spektrum an Cremes, Körperlotionen, Schaumbädern, Duschgels und Massageölen.

Lebens- und Futtermittel aus Hanf sind weitere wichtige Märkte in China und in den westlichen Ländern. Hanfsamen sind der Ausgangsrohstoff für eine breite Palette von Hanf-Lebensmitteln, z.B. Hanföl oder Hanfprotein. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind Hanflebensmittel immens wertvoll. Hanf ist reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und enthält vor allem das perfekte Verhältnis von Omega 6 zu Omega 3 (3:1). Dies macht Hanfnahrungsmittel und insbesondere Hanföl zu einer hervorragenden alternativen Omega-Quelle für Vegetarier und Veganer. Mit allen acht essentiellen Aminosäuren können sie einen wertvollen Beitrag zur täglichen Ernährung leisten. Die nicht allergenen Hanfnahrungsprodukte sind für Allergiker sehr empfehlenswert. Hanf-Futtermittelprodukte runden die ganzheitliche Nutzung der Hanfpflanze ab.

CBD gewinnt auch auf dem chinesischen Markt an Bedeutung, vor allem für Pharmazeutika. Die Zahl der Unternehmen, die CBD aus Blättern und Blüten extrahieren, wächst kontinuierlich – nicht nur in China. Die Legalisierung von THC in immer mehr Ländern öffnet den Markt auch für die pharmazeutische Nutzung.

Hanf anstelle von Plastik oder Glasfaser ist eine umweltfreundliche Möglichkeit, Bauteile für die Automobil- und Bauindustrie herzustellen. Auch China verwendet die gröbere Variante der Hanffaser z. B. für Türen und Regale. Neben der Umweltfreundlichkeit ist das geringe Gewicht ein wichtiger Vorteil.

Marihuana oder Industriehanf – eine Frage der wissenschaftlich fundierten Gesetzgebung

Im Gegensatz zu Europa unterscheiden die chinesischen Vorschriften zwischen Marihuana und Industriehanf direkt auf dem Feld nach dem wissenschaftlichen Unterscheidungskriterium von 0,3% THC (Small, E. & Cronquist, A. 1976. A Practical and Natural Taxonomy for Cannabis). Es ist wünschenswert, dass auch die europäische Gesetzgebung diesen Wert wieder einführt.

Die Provinz Heilonjiang ist überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein, und sucht nach Partnern in Europa und Nordamerika für eine internationale Zusammenarbeit. Sie haben die Ressourcen, um eine zeitgemäße Hanfindustrie aufzubauen und bieten Subventionen sowie eine hervorragende Infrastruktur.

Datum: 2017-08-11
Autor(in): Daniel Kruse
Wurde in seiner Rolle als Gründer und Geschäftsführer der HempConsult GmbH (www.hempconsult.com), einem führenden Beratungsunternehmen für hanfbezogene Themen, als Referent zur Konferenz in Harbin eingeladen. Herr Kruse ist auch Mitglied des Vorstands der „European Industrial Hemp Association“ (www.eiha.org).